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Lesedauer: 8 min 27.07.2023

Vom Hoffen und Fordern.

Ein kreativ-unternehmerischer Ausflug in die Arbeitsphilosophie

“People now, for the first time - maybe in many years - have the feeling that something radically new is possible. They can ask for something, that has not been asked before. And that does represent a new culture. A culture, in which people demand things they did not dare to demand before." Frithjof Bergmann in 80er Jahren über den Entwurf einer neuen Kultur des Arbeitens, der wohl nach wie vor von Aktualität nur so strotzt.

Aufbruch bedeutet Revolution. Aufbruch bedeutet Altes hinter sich zu lassen, Neues zu erschaffen. Aufbruch bedeutet Radikalität, große Traumbilder zu malen, Menschen anzustiften, mitzureißen. All das bedeutet Aufbruch – manchmal. Aber manchmal bedeutet Aufbruch eben auch, die feinen Unterschiede zu beobachten, die sich in den Erzählungen der Menschen wiederfinden. Aufbruch bedeutet manchmal, mit wenigen Worten Entwürfe zu zeichnen, die eine neue Perspektive aufwerfen. Ein Aufbruch kann sich in einem Wort befinden, in einem Gedanken, einer Idee. Viele der gesellschaftlichen Aufbrüche, die wir um uns herum beobachten und formen, werden mit den ganz großen Veränderungen in Verbindung gebracht. Mit Verzicht, Rebellion, Härte. Was wäre jedoch, wenn wir zunächst das betrachten würden, was wir alltäglich tun. Wenn wir die Beziehung unserer Selbst zu diesen Dingen betrachten würden und uns fragen würden, wie wir die großen revolutionären Träume darauf beziehen könnten, was uns wirkliche Erfüllung bieten könnte. Denn, lenken wir den Blick nicht nur auf das, was direkt vor uns liegt, auf das, was es "zu überwinden", zu meistern gilt, fällt er vielleicht auch auf die eigenen Hände.

Der Philosoph Frithjof Bergmann betrachtet dafür das ganz Naheliegende: die Arbeit. Für ihn besteht der Anbruch einer neuen Zeit in dem Anbruch einer neuen Kultur des Arbeitens. Denn arbeiten bedeutet für Bergmann die Auseinandersetzung des Selbst mit der Welt – der zentrale Prozess, der dazu führt, dass wir uns kreativ ausleben können, dass wir uns einbringen, uns selbst und die Welt um uns herum formen. Kurzum ein Prozess, der enorme Wichtigkeit für das Gefühl der Wirksamkeit, Zufriedenheit und die Verbindung zu eigenen Fähigkeiten und Wünschen darstellt. Karl Marx bezeichnete die Arbeit als Prozess der „Vergegenständlichung“ des Menschen – er erzeugt eine Welt der Objekte und wird damit selbst zum handelnden und erschaffenden Subjekt. Doch was geschieht nun, wenn diese Vergegenständlichung nicht mehr, oder nur auf sehr reduzierte Weise, gelingen kann? Wenn die Beziehungen, die wir zur Arbeit und damit zum eigenen Geist und der Gesellschaft pflegen, immer weiter vereinfacht werden? Wenn wir sie so lang immer weiter zusammenfalten, damit sie unbedingt in diese eine kleine Box passen, die wir uns so praktisch zurecht gezimmert haben? Arbeit passt mittlerweile in diese kleine Box - wir vermessen und begrenzen sie stets und streng durch feste Arbeitszeiten, damit man sie besser skalieren, quantifizieren, einordnen kann. Doch fragen wir uns vielleicht zu selten, ob der eigentliche Prozess, der eben auch ein Produkt der Arbeit sein kann und sollte - nämlich die Gestaltung des Geistes und der Welt - dabei grade eben keinen Platz mehr in dieser kleinen, engen Box finden kann.

Welche Schritte müssen wir also gehen, wohin müssen wir unseren Blick wieder lenken, um mit den Händen in Verbindung zu kommen? Das oben stehende Zitat Bergmanns sieht diesen ersten Schritt, dieses Verrücken des Blickes in einem scheinbar unscheinbaren, unaussprechlichen Schritt: in der Hoffnung. Frithjof Bergmann spricht davon, dass Menschen sich trauen, auf etwas ganz neues zu hoffen - ja, es sogar einzufordern oder zu erwarten. Sie hoffen darauf, dass Arbeit mehr sein kann als ein Mittel zum Zweck. Und sie fordern ein, dass ihnen der Raum dafür gegeben wird, dieses Mehr zu erkunden. Die Essenz von Bergmanns These besteht nicht darin, ein alternatives Arbeitssystem zu entwickeln. Sie besteht darin, dass der Wandel, den wir benötigen, schon in der scheinbar kleinen Erwartungshaltung liegen kann, die wir an Arbeit stellen. Der Wandel beginnt dort, wo wir uns trauen, Dinge einzufordern.

Umbrüche müssen nicht immer groß und laut und unübersehbar über uns hineinbrechen. Manchmal sind es ja sogar genau die solchen Umbrüche, die uns lähmen und sprachlos zurücklassen. Die Umbrüche allerdings, die uns zu Aufbrüchen bewegen, können durch kurze Begegnungen losgetreten werden. Durch kleine Veränderungen in den Perspektiven, die wir auf uns, unsere Arbeit und die Gesellschaft haben. Durch Hoffnungen und Erwartungen, die uns erlauben Arbeit als etwas zu sehen, das uns erfüllt. Lassen wir gesellschaftliche Veränderungen aufeinander prallen, tritt der Bruch den sie beinhalten um so mehr in den Vordergrund. Lernen wir allerdings, die Umbrüche zu erkunden, sie zu moderieren und zu gestalten - lernen wir, auf die eigenen Hände zu schauen und die Rolle dieser Brüche im Kleinen wieder zu erkennen, dann schaffen wir Umbrüche, die zu Aufbrüchen befähigen.

Wir wollen mit Kreativem Unternehmertum anregen, genau diese Feinheiten zu erkunden. Wir wollen kleinere und größere Impulse setzen, die die Blickrichtung verändern. Von dem gepflasterten Weg vor uns, zu dem was uns umgibt, über die Menschen, die uns begleiten, bis hin zu den eigenen Händen - die eigenen Hände, die genau den Aufbruch gestalten können, den wir uns wünschen.

Vivian Dünwald
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Vivian Dünwald

KU Kommunikation & Magazin

Getrieben von einer tiefen Neugierde, Beziehungen und Zusammen­hänge zu erkunden studiert Vivian an der Zeppelin Universität Soziologie, Politik und Wirtschaft. Als Nordlicht am Bodensee zieht sie besonders viel Kraft aus Begegnungen mit Menschen und Natur in diesem besonderen Umfeld. Ein verstärktes inhalt­liches Anliegen ist für sie die Beschäftigung mit gesellschafts­politischen Fragen sowie Chancen­gleichheit jeglicher Form. Der Diskurs und die Auseinander­setzung, die Reibung und der Austausch stellen für sie den Weg dar, um gemein­schaftlich Gesell­schaft zu gestalten.

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