Wie geht man, wie gehen wir „Wege in eine neues Zeitalter von Unternehmertum“? Mit dieser Frage beschäftigte sich der IX. KU Kongress, der außerdem das zehnjährigen Bestehen von Kreatives Unternehmertum feierte. Dabei brachten die drei Tage am oberbayrischen Schliersee auf ganz besondere Weise Menschen zusammen, die KU schon seit Jahren begleiten und welche, die das erste Mal einen KU Kongress erlebten. Dabei wurden die Arten und Weisen, wie die Wege in Richtung einer neuen, kreativeren, ganzheitlicheren Art zu Unternehmen gestaltet werden können, auf der Bühne und außerhalb des Programms auf vielfältige Weise aufgezeigt. Ein KU Report.
Es sind dynamischee Zeiten, zu denen der IX. KU Kongress 2024 tagt, um die Gestaltung und Möglichkeiten von Resonanz-Unternehmertum zu erkunden. Vieles befindet sich gesellschaftlich im Umbruch – es ist und bleibt wichtig, die Rolle von Unternehmertum gerade in diesen stürmischen Zeiten neu zu verorten, gemeinsam neu zu gestalten. Dazu haben sich auch in diesem Jahr wieder generationen- und disziplinenübergreifend über 100 unternehmerische Köpfe zusammengefunden. Es ist Zeit für Austausch, Diskurs, wissenschaftliche und künstlerische Impulse, für Begegnung und Entfaltung.
In klassischer KU Manier erhielten die Teilnehmenden Impulse auf persönlicher, unternehmerischer und gesellschaftlicher Ebene. Geht man davon aus, dass ein zukunftsfähiges Unternehmertum aus authentischen Persönlichkeiten entsteht, dass Menschlichkeit und Wohlwollen neue Umgangsweisen und Wege zu Wirtschaften bestimmen sollen, dann muss der Weg dort beginnen: beim Individuum und seiner Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt. So setzte die wohl grundlegendste Perspektive schon beim Atem an. Der Atem und seine Wirkung auf den menschlichen Körper und Geist wurde von Patrick Broome als bisher wenig genutztes Werkzeug vorgestellt, um Kopf, Herz und Bauch in Einklang zu bringen und Momente der Erdung und Intuition in den Alltag zu bringen - Momente des Friedens. Denn, mit der festen Überzeugung, dass die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft, eines beherzten Miteinanders und einer wertschätzenden Kommunikation nur aus einem tiefen inneren Frieden heraus entstehen kann, sprach auch Curd Michael Hockel zum Publikum.
Aus diesem inneren Frieden können Menschen dann ihren moralischen und ethischen Kompass ausrichten: Peter Kirchschläger gab dazu einen Impuls, der verantwortungsvolle und konsequent angewandte Menschenwürde im persönlichen, aber eben vor allem auch im unternehmerischen Handeln neu verortete. Es klingt für unsereins so grundlegend und selbstverständlich, wird jedoch komplexer, wenn man die Verflechtung von Wirtschaft und (fehlender) Ethik genauer betrachtet.
Auf gemeinschaftlicher Ebene lernen wir aus Praxis und Wissenschaft, nämlich von Anna Yona und Dominic Veken. Denn, das wissen wir auch, wirklich regeneratives Unternehmertum kann nur aus Kollektiven heraus entstehen, die ein wirklich menschliches Miteinander basierend auf Wertschätzung, Sinnstiftung und Transparenz kultivieren. Wie solche Kollektive gestaltet werden können, welche Herausforderungen sie allerdings auch mit sich bringen, konnten die Teilnehmenden an zahlreichen Praxisbeispielen erkennen. Zudem brachte Dominic auch die Perspektive der Gestaltbarkeit von (Unternehmens-)Kulturen mit ein: Jeglichge Kultur ist eine Formation von Praktiken. Betrachtet man eine Organisation in ihrer kulturellen Persönlichkeit genauer, so lässt sich diese sich über die stabilisierenden Werte in ihren Kulturansätze entschlüsseln. Basierend auf dem Status Quo gilt es neue aktvierende Praktiken zu etablieren, die die Gesamt-Kultur einer Organisation und ihre stabilisierenden Werte wiederum gestaltungsfähig werden lassen.
Erzählungen und Sprache als Gestaltungswerkzeuge von Kollektiven brachten uns Michael J. Müller und Astrid von Soosten näher. Die Balance zwischen der Inklusion verschiedener Stimmen bei gleichzeitiger Authentizität durch Individuen und Unternehmen mag zwar eine Herausforderung darstellen, lohnt sich aber, so geben uns die beiden Impulse mit.
Der Weg in ein neues Zeitalter von Unternehmertum führt uns natürlich aber eben auch an gesellschaftlichen Fragestellungen heran: Ein Unternehmertum, was tiefer in die Gesellschaft verwurzelt ist, muss sich der Konsequenzen des unternehmerischen Wirkens bewusst sein. Auch jener Konsequenzen, die lang als Externalitäten abgetan wurden.
Dazu sprach zum Beispiel Henning Reiche über die Darstellung von wahren Kosten durch den "wahren" Kaufpreis – entlang der Wertschöpfungskette entstehende soziale und ökologische Kosten sollen so nicht länger externalisiert werden können. Die Konsequenz dieses Ansatzes: Nachhaltige, ressourcenschonende Produkte würden einen Preisvorteil erlangen und an Marktanteil gewinnen.
Ressourcen wieder respektvoll und mit Verstand zu nutzen, darüber sprach auch Benedikt Bösel. Die Zerstörung der Böden durch eine Landwirtschaft, die auf Masse und schnelle Profite ausgelegt ist, erzeugt massive externe Kosten, die auf das Konto der Klimakrise und des Verlusts von Biodiversität einzahlen. Der Boden, so Benedikt, könnte Lösungen für viele Aspekte unserer Polykrise darstellen – wenn wir aufhören würden, ihn ohne Herz und Verstand für Massenproduktion zu verbrauchen. Auch Guya Merkle kämpft für einen neuen Umgang mit Ressourcen und Wohlstand. Es geht ganz konkret um Gold - mit ihrem unternehmerischen Wirken möchte sie die Verschwendung und der ethische Missachtung von menschlichen und materiellen Ressourcen bei der Produktion und im Umgang mit Gold und Goldschmuck ein Ende setzen. Es geht auch hier also wieder um Respekt und Verstand im Umgang mit Mensch und Erde.
Oft fällt der Begriff des regenerativen Unternehmertums – es geht nicht mehr nur um Nachhaltigkeit, sondern darum, positiv einwirken zu können. Aufbauen anstatt nur den Schaden zu mindern. Bedeutet regeneratives Unternehmertum also wirklich zukunftsgestaltendes Unternehmertum? Ja, sagt Thomas Hann. Er stellt sein Modell der regenerativen Genossenschaft vor, durch die Menschen ihr lokales Zusammenleben und Wirtschaften so gestalten können, dass sich Natur und Umwelt regenerieren können, dass ihr etwas zurück gegeben wird.
Auf jeden Fall, so gibt uns Sebastian Fittko mit, setzt diese andere Perspektive auch neue Maxime für das Denken von Erfolg und Wohlstand. So lange Kosten sozialisiert und Gewinne privatisiert werden, so Sebastian, wird zwar finanzielles Kapital wachsen, aber andere essenzielle Kapitalsorten abnehmen. Um das zu verändern müssen wir auch, so ergänzt Matthias Ballweg, Wertschöpfung von Ressourcenverbrauch trennen. Der Weg dahin ist laut Matthias Kreislaufwirtschaft: Regeneratives Unternehmen, das bedeutet Kreisläufe (wieder-)herzustellen und für sich zu nutzen, das wird, so seine Prognose, in wenigen Jahren für jedes erfolgreiche Unternehmen unumgänglich sein.
Auch die politische Perspektive ist in diesem Jahr des IX. KU Kongress vertreten: Ilse Aigner spricht über politische Rahmenbedingungen für Unternehmer:innen, lobt die Initiative und den Gestaltungswillen. Im Gespräch mit dem Publikum wird allerdings auch klar: Für diese Transformation im Zusammenspiel zwischen Unternehmen, Staat und Gesellschaft hapert es vor allem noch in Sachen gemeinsamer Geschwindigkeit und von der Politik geteilter Handlungsfreude.
„Die menschliche Ebene ist die Basis, weil sie auch neben Uneinigkeit bestehen kann.“ gab uns Gerd Leipold am letzten Vormittag des Kongresses mit und schloss so den Bogen, den wir programmatisch von der individuellen, über die gemeinschaftliche und unternehmerischen Ebene zur gesellschaftlichen abschreiten konnten. Die Basis von Wirksamkeit ist Menschlichkeit. Oder: das Handeln aus dem inneren Frieden heraus, wie Curd Michael Hockel sagte. Keinen Weltfrieden ohne inneren Frieden.
Treten wir einen Schritt zurück, stellen wir fest, dass der Weg in ein neues Zeitalter von Unternehmertum auch der Weg zu einer menschengerechteren Wirtschaft ist. Und dass wir in drei Tagen KU Kongress die individuellen, kollektiven und gesellschaftlichen Bedingungen dieses menschengerechteren und respektvolleren Wirtschaftens durchdeklinierten.
Und mögen zwar aktuelle Dynamiken und auch hier debattierte Prozesse scheinen, als würden dunkle Wolken über unserem gesellschaftlichen Himmel aufziehen, zeigt uns das Orchester des Wandels einfühlsam und wirkungsvoll, dass es noch nicht zu spät sein muss. Die Gesundheit unseres Planeten ist in kritischem Zustand - was er braucht, ist Handlung in seinem Sinne, auch unternehmerische Handlung. Und wenn es wohl eins nicht zu wenig gibt auf dem IX. KU Kongress, dann sind das handlungsmutige und gestaltende Menschen.
Wie sehen also die Wege aus, die uns zu einem neuen Zeitalter von Unternehmertum führen? Was navigiert uns auf diesen Wegen? Der IX. KU Kongress gibt auf diese Frage wie gewohnt nicht nur eine Antwort. Denn: Viele verschiedene, schmale und breite, gerade und krumme Wege führen in ein neues Zeitalter von Unternehmertum. Entscheidend ist eben nur, dass sie sich immer wieder kreuzen, um zu verdeutlichen, dass sie gemeinschaftlich gegangen werden. Ein neues Unternehmertum ist tiefer verwurzelt – in Gesellschaft, in Gemeinschaft, in Menschlichkeit. Dafür braucht es den Austausch mit Mitstreitenden und mit Andersdenkenden, es braucht gemeinschaftliches Gespräch statt einsames Schweigen, sich kreuzende Wege, statt Stillstand.
Blicken wir an unserem Jubiläumskongress also auf die Frage, wie sich die Wege in ein neues Zeitalter von Resonanz-Unternehmertum gestalten, können wir darauf keine pauschale Antwort geben, so ergibt sich doch jeder Weg aus der Authentizität derer, die ihn beschreiten. Aber wir können uns sicher sein, dass wir für die Orientierung im Hellen und im Dunkeln, für das Beschreiten bei Tag und bei Nacht die Gemeinschaftlichkeit brauchen. Das Aufeinandertreffen bietet Austausch, der Anstoß zur neuen Routenplanung oder zur Anpassung des eigenen Tempos. Die Begegnung gibt Anlass, Teile des Weges vielleicht parallel zu beschreiten. Wenn Menschen aufeinandertreffen, die, in welcher Form auch immer, in Richtung eines neuen Zeitalter laufen, gibt uns das den Mut und den Funken mit, den es braucht, um uns auch in Dunkelheit orientieren und wärmen zu können.